Im deutschen Recht können Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowohl bezüglich der Strafverfolgung als auch der Strafvollstreckung verjähren. Doch wann genau ist das der Fall und was ist der Zweck dahinter? Als erfahrener Anwalt für Strafrecht in München gebe ich Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Informationen und Regelungen zu den Verjährungsfristen und berate Sie umfassend zu allen Fragen rund um das Strafrecht.
Was ist eine Verjährungsfrist?
Nach deutschem Gesetz existiert für fast alle Ordnungswidrigkeiten und Straftaten eine Verjährungsfrist. Die Verjährungsfristen lassen sich dabei in zwei verschiedene Bereiche unterteilen: die Strafvollstreckungsverjährung und die Strafverfolgungsverjährung.
Im ersten Fall wurden Sie als Täter gefasst und rechtskräftig verurteilt. Sollten Sie sich im Anschluss der Haftstrafe entziehen und beispielsweise aus dem Gefängnis fliehen und untertauchen, verjährt nach einer bestimmten Zeitspanne die Strafvollstreckung Ihnen gegenüber. Dies ist in § 79 StGB geregelt.
Die Strafverfolgungsverjährung nach § 78 StGB betrifft den Fall, dass die Tat unentdeckt bleibt, oder wenn Sie als Täter nach der Tat fliehen konnten und nicht von der Polizei gefasst wurden. Selten kommt es auch dazu, dass sich ein Verfahren so lange hinschleppt, bis Verjährung eintritt. Nach einer gewissen Zeit ist die Strafverfolgung nicht mehr sinnvoll und Sie können nicht mehr bestraft werden.
Im deutschen Gesetz gibt es außerdem eine Straftat, die niemals verjährt: Mord. Sollten Sie einen Menschen ermorden (§ 211 StGB), bei einem Mord Beihilfe leisten oder einen Mordversuch unternehmen, verjährt dieses Delikt niemals.
Warum gibt es Verjährungsfristen im Strafrecht?
Die Verjährungsfrist hat den Zweck den “Rechtsfrieden” wieder herzustellen, dem Täter eine Resozialisierung, also eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft, zu ermöglichen. Dabei geht man von bestimmten Umständen aus, die eine Strafverfolgung nach einer gewissen Zeit nicht mehr sinnvoll erscheinen lassen:
- Der positive Abschreckungseffekt durch die Verurteilung geht verloren.
- Das Bedürfnis nach Bestrafung und der Sinn der Strafe nehmen mit der Zeit ab.
- Zeugenaussagen und Beweismittel sind nach einer gewissen Zeit nicht mehr brauchbar.
Die einzelnen Verjährungsfristen im Detail
Die Fristen der Strafverfolgungsverjährung sind in § 78a StGB geregelt und sehen wie folgt aus:
- Höchstmaß unter einem Jahr: Verjährung nach drei Jahren
- Höchstmaß über einem Jahr: Verjährung nach fünf Jahren
- Höchstmaß über fünf Jahre: Verjährung nach zehn Jahren
- Höchstmaß über zehn Jahren: Verjährung nach zwanzig Jahren
- Höchstmaß lebenslange Freiheitsstrafe: Verjährung nach dreißig Jahren
Dies sieht auf den ersten Blick ganz simpel aus, ist es aber leider nicht.
Beispielsweise “steht” auf einen ordinären Diebstahl, § 242 StGB, Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Die Verjährungsfrist läuft also fünf Jahre. Beim besonders schweren Fall des Diebstahls, § 243 StGB beträgt die Freiheitsstrafe bis 10 Jahre. Die Verjährungsfrist ist aber trotzdem nur fünf Jahre. Warum? Weil § 243 StGB eine Strafschärfungsvorschrift ist, die wegen § 78a Abs. 4 bei der Berechnung der Verjährungsfrist nicht mitzählt. Wieder anders ist es aber beim Wohnungseinbruchsdiebstahl, § 244 StGB: Hier liegt ein eigener Tatbestand vor mit dem Ergebnis, dass die Verjährungsfrist 10 Jahre beträgt.
Wann beginnt die gesetzliche Verjährungsfrist?
Die gesetzliche Verjährungsfrist beginnt, nachdem Sie eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit “beendet” haben, § 78a StGB. Leider ist dieser Begriff auch nicht ganz so einfach, wie er sich liest.
Beispielsweise kann die Beendigung der Tat früher eintreten, als der zur Tat gehörende “Erfolg”: Sie fahren betrunken einen Fußgänger an. Damit ist die Tat beendet. Der “Erfolg”, nämlich der Tod des Opfers, tritt vielleicht erst Monate später ein. Erst dann fängt auch die Verjährung der fahrlässigen Tötung an zu laufen.
Ruhen und Unterbrechung der Verjährung
Bei der Berechnung der Verjährungsfrist gibt es leider auch ein paar ganz unangenehme Fallstricke zu beachten. Hierbei handelt es sich um das “Ruhen”, § 78b, und die “Unterbrechung”, § 78c, StGB.
Ruhen der Verjährung
Ruhen der Verjährung bedeutet, die Verjährungsfrist beginnt gar nicht erst zu laufen. Beispiel sind Sexualdelikte an Minderjährigen: Hier ruht die Verjährungsfrist bis zum 30. Lebensjahr der geschädigten Person. Dies hat den Hintergrund, dass eine minderjährige Person aus Angst oder Abhängigkeit vom Straftäter möglicherweise keine Anzeige machen konnte. Ebenso sind hier psychische Faktoren zu beachten: Oftmals sind misshandelte Kinder erst nach einer jahrelangen Aufarbeitung des Geschehens dazu in der Lage, den Täter anzuzeigen.
Häufigstes Beispiel ist aber, dass vor Ablauf der Verjährung ein Gerichtsurteil der ersten Instanz ergeht. Dann ruht die Verjährung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens, also im Zweifel bis in alle Ewigkeit.
Unterbrechung der Verjährung
Durch verschiedene Handlungen können die Strafverfolgungsbehörden außerdem eine Unterbrechung der Verjährung herbeiführen. Hier listet § 78c StGB 12 Möglichkeiten auf. Jede dieser Tätigkeiten führt dazu, dass die Verjährungsfrist wieder ganz von vorne anfängt. Der Beschuldigte muss davon nicht einmal etwas merken: Es reicht, wenn beispielsweise der Richter in der Akte vermerkt, dass eine Vernehmung des Beschuldigten durchgeführt werden soll, ohne dass diese Anordnung vielleicht jemals beim Beschuldigten eingeht.
Zum Glück gibt es ein Höchstmaß: Die “absolute Verjährung”. Diese tritt ein, wenn seit Beginn der Verjährungsfrist das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen ist. Im Beispiel mit dem Diebstahl tritt die absolute Verjährung also nach 10 Jahren ein.
Leider gibt es noch eine Reihe weiterer Fallstricke bei der Überprüfung der Verjährung. Dieses Gebiet ist darum eine der schwierigsten Tätigkeitsbereiche eines Strafverteidigers.
Zusammenfassung
Die Verjährung ist eines der kompliziertesten Gebiete im Strafrecht und für Laien und auch für Juristen, die ihren Tätigkeitsschwerpunkt in anderen Rechtsgebieten haben, unmöglich zu durchschauen.
Daher wenden Sie sich immer an einen erfahrenen Strafverteidiger, wenn es Fragen zur Verjährung geben sollte.
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