Jeden Tag werden kriminelle Delikte begangen, doch bei jugendlichen Straftätern werden oft früh die Weichen in Richtung der weiteren Entwicklung gestellt. Geraten junge Menschen schon früh auf einen solchen Weg, ist ihnen oft nicht bewusst, was dies für Auswirkungen für die Zukunft mit sich bringt. Damit sie trotz jugendlichem Leichtsinn die Möglichkeit auf Besserung haben, hat der Gesetzgeber im Jahr 1923 das Jugendstrafrecht geschaffen, das auf die Besonderheiten und Entwicklungsdefizite von jugendlichen Straftätern eingeht. Ich bin Rechtsanwalt Leonhard Graßmann und informiere Sie als Anwalt für Jugendstrafrecht in München gerne über die Unterscheidungen bei Straftaten von Jugendlichen und deren Konsequenzen.
Diese Delikte fallen unter das Jugendstrafrecht
Das Jugendstrafrecht gilt für Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren. Im Einzelfall, wenn der Täter als Heranwachsender (im Alter zwischen 18 und 20 Jahren) seiner Entwicklung nach noch auf dem Stand eines Jugendlichen ist, oder es sich um eine typische Jugendverfehlung handelt, gilt das Jugendstrafrecht auch, wenn die Tat vor dem 21. Geburtstag begangen wurde. Das Jugendstrafrecht gilt nicht nur für einzelne Straftaten, sondern für alle Straftaten, die es nach dem allgemeinen Strafrecht auch gibt, z. B.
- Diebstahl
- Körperverletzung und sonstige Gewaltdelikte
- Sachbeschädigung
- Drogendelikte
- Sexualstraftaten
- Verkehrsdelikte
Allerdings sieht das Jugendgerichtsgesetz (JGG) für Jugendliche andere Rechtsfolgen („Strafen“) als für Erwachsene vor. Im Erwachsenenstrafrecht gibt es, wie allgemein bekannt ist, hauptsächlich zwei Arten von Strafen: Geldstrafen und Freiheitsstrafen. Letztere kann unter bestimmten Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden. Falls nicht, muss der Verurteilte ins Gefängnis. Für Erwachsene gilt: Die Höhe der Strafe soll dem Ausmaß der Schuld entsprechen und zu einer „Sühne“ führen. Daneben gibt es die Gesichtspunkte der Generalprävention, d. h. Abschreckung von potenziellen Nachahmungstätern, sowie die Spezialprävention, d. h. der betreffende Täter soll zukünftig von Straftaten abgeschreckt werden.
Mit folgenden Strafen müssen Jugendliche rechnen
Im Jugendstrafrecht gibt es die oben genannten Gesichtspunkte nicht.
Das Jugendstrafrecht stellt darauf ab, dass Grund für die Straftaten Jugendlicher oft erzieherische Defizite sind. Diese sollen ausgeglichen werden, sodass die Jugendlichen befähigt werden, in Zukunft Rückfälle zu vermeiden und ein straffreies Leben zu führen.
Jugendliche sollen aus ihren Fehlern lernen und ihre meist nur kurz anhaltende rebellische Phase überwinden.
Der Jugendrichter hat dazu eine Fülle von Ahndungsmaßnahmen zur Verfügung:
Erziehungsmaßregeln
Erziehungsmaßregeln haben ausschließlich den Zweck, die durch die Tat erkennbar gewordenen Erziehungsmängel zu beseitigen, um einer erneuten Straffälligkeit des Täters entgegenzuwirken. Bei ihrer Anordnung und Auswahl dürfen daher nur erzieherische Gesichtspunkte, aber nicht Vergeltung, Sühne und Schutz der Allgemeinheit berücksichtigt werden.
Zuchtmittel
Zuchtmittel sind Verwarnung, Erteilung von Auflagen und Jugendarrest.
Die Verwarnung kommt als mildestes Zuchtmittel bei leichteren Verfehlungen in Betracht, insbesondere, wenn davon auszugehen ist, dass der Jugendliche bereits durch den Kontakt mit der Strafjustiz genügend beeindruckt ist.
Im Rahmen der Erteilung von Auflagen kann der Richter dem Jugendlichen auferlegen, 1. nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, 2. sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen, 3. Arbeitsleistungen zu erbringen oder 4. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen.
Die bekannteste und auch wohl am häufigsten angewandte Auflage ist die Arbeitsauflage. Dabei wird der Jugendliche verpflichtet, Arbeitsstunden bei einer anerkannten Stelle zu verrichten. Darüber hinaus können Weisungen erfolgen, bei denen die Täter bestimmte Orte nicht mehr aufsuchen dürfen, eine Ausbildungsstelle annehmen sollen oder an bestimmten Trainingskursen teilnehmen müssen.
Der Jugendarrest richtet sich nach § 16 JGG:
§ 16 JGG – Jugendarrest
(1) Der Jugendarrest ist Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest.
(2) Der Freizeitarrest wird für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt und auf eine oder zwei Freizeiten bemessen.
(3) Der Kurzarrest wird statt des Freizeitarrestes verhängt, wenn der zusammenhängende Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und weder die Ausbildung noch die Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden. Dabei stehen zwei Tage Kurzarrest einer Freizeit gleich.
(4) Der Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Er wird nach vollen Tagen oder Wochen bemessen.
Jugendstrafe
Die Jugendstrafe ist die härteste Sanktion, die das Jugendstrafrecht kennt.
Jugendstrafe wird verhängt, wenn zum Zeitpunkt der Tat und auch noch zur Zeit der Gerichtsverhandlung entweder „schädliche Neigungen“ des Jugendlichen festgestellt werden oder die Verhängung von Jugendstrafe wegen der besonderen Schwere der Schuld notwendig ist, etwa bei schweren Gewaltstraftaten.
Die Vollstreckung der Jugendstrafe kann zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn zu erwarten ist, dass sich der Jugendliche allein die Verurteilung zur Warnung dienen lässt. Meist werden dann Bewährungsauflagen oder -weisungen verhängt und der Jugendliche einem Bewährungshelfer unterstellt. Auch die Verhängung von Zuchtmitteln (insbesondere Jugendarrest) ist neben einer Bewährungsstrafe möglich.
Wird eine Jugendstrafe ohne Bewährung verhängt, wird diese in der Regel in einer speziellen Justizvollzugsanstalt für Jugendliche bzw. junge Erwachsene vollzogen. Auch im Jugendstrafvollzug spielt der Erziehungsgedanke eine wesentliche Rolle.
Die Jugendstrafe beträgt mindestens 6 Monate und höchstens 5 Jahre. Bei besonders schweren Taten, die im Erwachsenenstrafrecht mit Freiheitsstrafen von mehr als 10 Jahren bedroht sind, beträgt die Jugendstrafe bis zu 10 Jahren. Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist (§ 18 Abs. 2 JGG). Die Strafrahmen des Erwachsenenstrafrechts gelten nicht.
Die Jugendgerichtshilfe
Die Jugendgerichtshilfe wird von den Jugendämtern im Zusammenwirken mit den Vereinigungen für Jugendhilfe ausgeübt (§ 38 JGG). Die Jugendgerichtshilfe leistet eine wichtige Hilfestellung für den Jugendrichter bei der Feststellung der richtigen Ahndung. Dazu führt sie ein oder mehrere Gespräche mit dem betroffenen Jugendlichen. Sie stellt fest, wo die erzieherischen Defizite des Jugendlichen liegen, sie erforscht den familiären Hintergrund und spricht mit dem Jugendlichen unter anderem über seine Einstellung zur Tat. Die Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe werden dann in der Verhandlung angehört und machen einen Ahndungsvorschlag. Deshalb soll die Jugendgerichtshilfe so früh wie möglich in das Verfahren eingebunden werden. Für den betroffenen Jugendlichen ist es in aller Regel vorteilhaft, offen mit den Mitarbeitern der Jugendgerichtshilfe zu kommunizieren.
Der Verteidiger im Jugendstrafverfahren
Einerseits ist der Verteidiger, wie im Erwachsenenstrafrecht auch, der Interessensvertreter seines jugendlichen Mandanten. Er muss daher alle zulässigen Mittel ausschöpfen, um ihn optimal zu verteidigen. Andererseits muss der Verteidiger auch den Erziehungsgedanken stets im Auge behalten und ihn im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung des Jugendlichen berücksichtigen.
Diese beiden sich manchmal scheinbar widersprechenden Gesichtspunkte erfordern nicht nur besondere Rechtskenntnisse, sondern auch ein gewisses Fingerspitzengefühl.
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